DAS ICF-INKONTINENZ-BEWERTUNGSFORMULAR (ICF-IAF) ZUR IDENTIFIZIERUNG VON HINDERNISSEN UND RESSOURCEN BEI PATIENTEN MIT HARN- ODER STOFFINKONTINENZ: TEILPROJEKT MÄNNLICHE PERSPEKTIVE

Kühn M1,2, Gass S3, König I3, Radlinger L3, Köhler B1,2
1ZHAW Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften, Departement Gesundheit, Institut für Physiotherapie, Winterthur, Schweiz, 2Stadtspital Triemli, Zürich, Schweiz, 3Berner Fachhochschule, Departement Gesundheitsberufe, Abteilung Physiotherapie, Bern, Schweiz

Hintergrund: Harn- und Stuhlinkontinenz (UI, FI) sind körperlich schwächende Erkrankungen, beide Arten von Inkontinenz führen hauptsächlich zu psychosozialen Belastungen, die sich negativ auf die Lebensqualität der Betroffenen auswirken. Bei der Behandlung inkontinenter Patienten sollte das gesamte Krankheitsspektrum berücksichtigt werden. Um das gesamte Spektrum der Erkrankung abzudecken, entwickelt unsere Studiengruppe derzeit das ICF Incontinence Assessment Form (ICF-IAF). Daher beinhaltete dieses Teilprojekt die deduktive Untersuchung von Barrieren, mit denen inkontinente Erwachsene konfrontiert sind, und der verfügbaren Ressourcen und deren Verknüpfung mit der ICF. Diese Barrieren und Ressourcen, die den ICF-Kategorien zugeordnet sind, sollen die Entwicklung der ICF-IAF unterstützen.

Zweck: Ziel dieser Studie war es, mithilfe von Fokusgruppeninterviews Barrieren und Ressourcen bei Patienten mit Harn- oder Stuhlinkontinenz zu untersuchen. Die Antworten sollen im Rahmen der Weiterentwicklung der ICF-IAF für den internationalen Einsatz im multiprofessionellen Umfeld in die standardisierte Sprache der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) übersetzt werden.

Methoden: Das qualitative Design der Fokusgruppeninterviews war angemessen. Der halbstrukturierte Themenleitfaden basierte auf den ICF-Kapiteln Körperfunktionen, Körperstrukturen, Aktivitäten und Partizipation, Umwelt und persönliche Faktoren. Die Interviews wurden transkribiert und die Textdaten mittels Inhaltsanalyse induktiv exploriert, um Codes zu generieren. Im nächsten Schritt wurden alle generierten Codes mit den am besten übereinstimmenden ICF-Barrusing etablierten Linking-Regeln verknüpft. Die Verknüpfung mit dem ICF wurde von zwei Forschern unabhängig voneinander durchgeführt. Zur Beurteilung der Interrater-Übereinstimmung wurde Cohen's Kappa für die Kategorien der zweiten Ebene berechnet. Eine Sättigung war gegeben, wenn nicht mehr als 5 neue ICF-Kategorien in zwei aufeinanderfolgenden Fokusgruppen identifiziert werden konnten.

Ergebnisse: Es wurden vier Fokusgruppen mit 13 Teilnehmern durchgeführt. Das Durchschnittsalter betrug 74.7 Jahre. Einbezogen wurden personenbezogene Daten sowie etablierte gesundheits- und krankheitsspezifische Fragebögen. Insgesamt konnten 73 ICF-Kategorien der 2. Ebene verknüpft werden, davon bezogen sich 63 auf Barrieren und 42 auf ausgewiesene Ressourcen. Die am häufigsten genannten Barrieren waren der Umgang mit Stress und anderen psychischen Anforderungen (d240), Harn- und Stuhlgangfunktionen (b620 bzw. b525) sowie Temperament- und Persönlichkeitsfunktionen (b126). Als Ressourcen wurden am häufigsten Produkte und Technologien für den persönlichen Gebrauch im täglichen Leben (e115), Temperament und Persönlichkeitsfunktionen (b126) und Umgang mit Stress und anderen psychischen Anforderungen (d240) genannt.

Schlussfolgerung(en): Barrieren und Ressourcen in allen Kapiteln der ICF wurden im Gegensatz zu vorläufigen Teilprojekten der Entwicklung der ICF-IAF gefunden. Dieses Funktionsprofil ist nützlich, um die Perspektive von Patienten mit UI oder FI in der Population dieser Studie darzustellen.

Implikationen: Die Ergebnisse aller Vorstudien flossen Ende 2017 in eine Konsensuskonferenz ein, in der die erste Version des ICF-IAF entwickelt wurde. Die internationale und multiprofessionelle Validierung wird 2018 in der finalen Version des ICF-IAF münden.
In einem multidisziplinären Team eingesetzt, kann das ICF-IAF als gemeinsame Plattform angesehen werden, von der aus die verschiedenen Fachleute ihre Beurteilungen beginnen, Interventionen planen und die Behandlung sowie ihre Auswirkungen auf die zukünftige Forschung bewerten.

Stichwort: Bewertung, Patientenergebnisse, ganzheitliche Gesundheit

Finanzierungshinweise: keine

Thema: Beckengesundheit von Frauen und Männern

Ethikgenehmigung erforderlich: Ja
Institution: Kantonale Ethikkommission Zürich
Ethikkommission: Kantonale Ethikkommission Zürich
Ethiknummer: KEK-ZH-Nr. 2015-0257


Alle Autoren, Zugehörigkeiten und Abstracts wurden wie eingereicht veröffentlicht.

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