UNFREIWILLIGES REFLEXIVES VERSUS STANDARD FREIWILLIGES BECKENBODENMUSKEL- TRAINING: RCT-PROTOKOLL TESTET EIN NEUES THERAPIEKONZEPT FÜR STRESS-URINKONTINENZ

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Luginbühl H.1,2, Lehmann C.3, Baeyens J.-P.2, Kuhn A.4, König I.1, Radlinger L.1
1Berner Fachhochschule, Gesundheit, Bern, Schweiz, 2Vriije Universiteit Brussel, Brüssel, Belgien, 3Departement Physiotherapie, Inselspital Bern und Universität Bern, Bern, Schweiz, 4Frauenklinik, Urogynäkologie, Inselspital Bern und Universität Bern, Bern, Schweiz

Hintergrund: Beckenbodenmuskeltraining ist effektiv und wird als Erstlinientherapie für Patientinnen mit Belastungsinkontinenz empfohlen. Die Standardphysiotherapie mit Beckenbodenmuskeln konzentriert sich jedoch auf willkürliche Kontraktionen, obwohl die Situationen, die eine Belastungsinkontinenz auslösen, unwillkürliche, schnelle, reflexartige Beckenbodenmuskelkontraktionen erfordern. Bislang lag der Schwerpunkt der Forschung zur Funktion des Beckenbodenmuskels auf der konzentrischen und isometrischen Muskelaktion, die zum Heben und Zusammenziehen führt. Bisher wurde jedoch kein Licht auf die exzentrische oder exzentrisch-konzentrische Art der Kontraktion und die damit verbundene unwillkürliche oder reflexartige Kraft geworfen. Solche Trainingsverfahren werden in der Rehabilitation und im Sport häufig eingesetzt, jedoch noch nicht in der Beckenbodenrehabilitation.

Zweck: Daher bestand das Ziel dieser Studie darin, ein Trainingsprotokoll zu entwickeln, das Standardphysiotherapie umfasst und sich zusätzlich auf unwillkürliche reflektorische Beckenbodenmuskelkontraktionen konzentriert, sowie ein RCT-Studienprotokoll vorzubereiten, in dem dieses neu entwickelte Physiotherapieprogramm (Versuchsgruppe) und das Standardphysiotherapieprogramm (Kontrollgruppe) hinsichtlich ihrer Wirkung auf die weibliche SUI verglichen werden.

Methoden: Das PFM-Trainingsprotokoll folgt dem Trainingsverlauf für motorisches Lernen, Kraft-, Hypertrophie- und Leistungstrainingsphasen gemäß den Trainingsprinzipien Variation/Periodisierung, Muskelaktion und Muskelaktionsgeschwindigkeit, Belastung, Volumen, Übungsauswahl, Ruhezeiten und Häufigkeit für beide Gruppen. Die Intervention dauert 16 Wochen und umfasst 9 persönliche Physiotherapiekonsultationen und 78 kurze Heimtrainingseinheiten (Woche 1-5 3x/Woche, 3x/Tag; Woche 6-16 3x/Woche, 1x/Tag). Danach werden beide Gruppen 6 Monate lang mit Heimtrainingseinheiten fortfahren. Die Arbeitshypothese ist, dass die Versuchsgruppe, die sich auf unwillkürliche reflektorische Muskelkontraktionen konzentriert, eine stärkere Verbesserung der Kontinenz, gemessen mit dem International Consultation on Incontinence Modular Questionnaire Urinary Incontinence (Kurzform) (ICIQsf), und, in Bezug auf sekundäre und tertiäre Ergebnisse, eine höhere elektromyografische PFM-Aktivität während SUI-provozierender Aktivitäten (Laufen mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten, Hocksprung, Gegenbewegungssprung, Fallsprung), bessere Pad-Test-Ergebnisse, höhere Lebensqualitätswerte (International Consultation on Incontinence Modular Questionnaire (ICIQLUTsquol)) und eine höhere intravaginale Muskelkraft (digital getestet) von vor bis nach der Interventionsphase aufweisen wird. Diese Studie ist als prospektive, dreifach verblindete RCT mit zwei Physiotherapie-Interventionsgruppen mit einer 6-monatigen Nachbeobachtung konzipiert, die 48 Frauen mit Belastungsinkontinenz pro Gruppe umfasst. Um das primäre Ergebnis, ICIQsf, zwischen und innerhalb der beiden Gruppen zu zehn Zeitpunkten (vor der Intervention, Physiotherapiesitzungen 2–9, nach Es werden (Interventions-) ANOVA-Modelle für Längsschnittdaten angewendet.

Ergebnisse: Das RCT-Studienprotokoll zum Testen des unfreiwilligen reflexiven vs. standardmäßigen freiwilligen PFM-Trainings wurde registriert (NCT02318251) und von der Ethikkommission genehmigt (Ethikkommission des Kantons Bern Referenznummer 249/14), wobei der erste Teilnehmer im März 2015 aufgenommen wurde.

Schlussfolgerung(en): Diese Studie schließt eine Lücke, da sie ein neuartiges SUI-Therapieschema vorstellt, das ein unwillkürliches reflexives PFM-Training umfasst.

Implikationen: Die aktuellen Richtlinien für die physikalische Therapie bei Patienten mit SUI enthalten kein PFM-Training für unwillkürliche Reflexe. Sollte sich dieses Therapieprotokoll, das zusätzlich zum Standardtraining ein unwillkürliches reflexives PFM-Training umfasst, als wirksamer erweisen als das Standardtraining allein, wäre dies von hoher klinischer und praktischer Relevanz und könnte sofort umgesetzt werden.

Finanzierungshinweise: Finanziert durch: Schweizerischer Nationalfonds (SNF; (320030_153424/1). Der SNF ist nicht an der Durchführung und Protokollierung der Studie beteiligt.

Thema: Beckengesundheit von Frauen und Männern

Ethik-Genehmigung: Ethikkommission des Kantons Bern, Schweiz, Aktenzeichen 249/14; 12. November 2014; Vorsitzender Prof. Dr. Seiler


Alle Autoren, Zugehörigkeiten und Abstracts wurden wie eingereicht veröffentlicht.

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