Reichen Sie das
BR Winteler1,2, F. Gänse1, B. Lehmann3, K.-U. Schmitt1
1Academic-Practice-Partnership zwischen Berner Fachhochschule und Insel Gruppe, Bern, Schweiz, 2Inselspital, Universitätsspital Bern, Insel Gruppe, Institut für Physikalische Therapie, Bern, Schweiz, 3Inselspital, Universitätsspital Bern, Universität Bern, Klinik für Notfallmedizin, Bern, Schweiz
Hintergrund: Viele Länder melden einen deutlichen Anstieg der Besuche in Notaufnahmen. Darunter machen Patienten mit Muskel-Skelett-Erkrankungen einen großen Teil der nicht dringenden Fälle aus. Dieser Trend wurde auch in der ED des Universitätsspitals Bern, Schweiz, beobachtet. Bisher umfasste die unmittelbare Behandlung dieser Patienten in erster Linie eine medikamentöse und orthetische Behandlung. Die Physiotherapie wurde nach ärztlicher Einschätzung verordnet und erfolgte ambulant (meist in einer Privatpraxis), Tage bis Wochen nach Entlassung aus der Notaufnahme, je nach verfügbaren Kapazitäten. Da die Literatur über mögliche Vorteile der muskuloskelettalen Physiotherapie berichtet, die in der Notaufnahme durchgeführt wird, haben wir eine Pilotstudie gestartet, um einen solchen Dienst in unserer Notaufnahme zu testen.
Zweck: Ein neuer Service, der diesen Patienten in der Notaufnahme sofortigen Zugang zu Physiotherapie bietet, wurde eingeführt und evaluiert.
Methoden: In einem Pilotprojekt wurde in einer gemischten Notaufnahme des Universitätsspitals Bern während zwei Monaten eine physiotherapeutische Leistung angeboten. Der Service war zwischen 11.00 und 19.00 Uhr (werktags) und 11.00 bis 14.00 Uhr (am Wochenende) verfügbar. Der diensthabende Oberarzt war dafür verantwortlich, geeignete Patienten zu identifizieren und an den Physiotherapeuten zu überweisen. Es kam eine multimodale Physiotherapie zum Einsatz. Um die Auswirkungen des neuen Dienstes zu untersuchen, wurde ein Mixed-Methods-Design verwendet. Quantitative Daten wurden aus der elektronischen Patientenakte und aus einem von den Physiotherapeuten geführten Logbuch erhoben. Zusätzlich wurden persönliche Interviews mit involvierten Physiotherapeuten, Ärzten und Pflegekräften der Notaufnahme und Vertretern der ED-Leitung auf der Grundlage eines halbstrukturierten, literaturbasierten Interviewleitfadens geführt.
Ergebnisse: 79 Patienten (64 % Männer, 36 % Frauen) wurden während der Pilotstudie (63 Tage) von Physiotherapeuten behandelt. Das Durchschnittsalter betrug 44.3 Jahre. Die am häufigsten berichtete Beschwerde der Patienten waren Rückenschmerzen (47 %). 16 % litten unter Nackenschmerzen. Physiotherapeuten wurden am häufigsten wegen einer Kombination aus Analgesie, Verbesserung der Gelenkfunktion und Mobilisation aufgesucht (35 %). Interventionen umfassten die Erhebung der Krankengeschichte, die Durchführung manueller Tests und die multimodale Behandlung sowie die Entwicklung von Empfehlungen für die weitere Behandlung. Bei der Mehrzahl der Patienten wurde weder eine medizinische Bildgebung (59 %) noch eine zusätzliche physikalische Therapie (58 %) von den Ärzten verordnet. Die Patienten bewerteten das physiotherapeutische Angebot mit sehr gut oder ausgezeichnet (88 %). Andere Mitarbeiter der Notaufnahme schätzten den neuen Service und alle sieben Interviewpartner betonten den Mehrwert für die Patienten.
Schlussfolgerung(en): Die Fokussierung des physiotherapeutischen Angebots auf Patienten mit primär muskuloskelettalen Beschwerden war sinnvoll. Die Evaluation zeigte, dass die physiotherapeutischen Interventionen das Potenzial haben, die Versorgungsqualität zu verbessern. Für den Beruf des Physiotherapeuten kann ein Einsatz in einer ED eine Chance zur Weiterentwicklung darstellen.
Implikationen: Die Ergebnisse der Pilotstudie unterstützen die Einführung eines regulären Physiotherapieangebots in der Notaufnahme unseres Krankenhauses. Weitere Schritte sind notwendig, um eine erfolgreiche Implementierung in die komplexen Prozesse des ED zu gewährleisten.
Finanzierung, Danksagungen: Die Studie wurde durch interne Mittel der Academic-Practice-Partnership zwischen der Berner Fachhochschule und der Insel Gruppe unterstützt.
Stichwort: Notdienst, Krankenhaus, Spezialgebiet Physiotherapie, Erkrankungen des Bewegungsapparates
Thema: Servicebereitstellung / neue Rollen
War für diese Arbeit eine ethische Genehmigung erforderlich? Nein
Institution: Direktion für pflegerische, medizinisch-technische und medizinisch-therapeutische Bereiche, Insel Gruppe
Kommission: Ethikkommission des Kantons Bern (Nr. Req-2019-00208)
Begründung: Da diese Arbeit nicht unter das schweizerische Humanforschungsgesetz fällt, war keine besondere Bewilligung erforderlich.
Alle Autoren, Zugehörigkeiten und Abstracts wurden wie eingereicht veröffentlicht.